Getreidezüchtung Peter Kunz (Feldbach, ZH)
Wie begegnen Sie dem veränderten Klima in Ihrer landwirtschaftlichen Praxis? Was hilft Ihnen dabei?
Dem veränderten Klima wollen wir aus züchterischer Perspektive mit vielfältigen neuen, lokal angepassten Sorten begegnen. Grundlage dieser Sorten ist die bestehende Diversität alter Landsorten und moderner Marktsorten, die wir in Netzwerken bestehend aus Bäuer:innen, Verarbeiter:innen, Züchter:innen und Konsument:innen gemeinsam entwickeln. Der Zugang zum Ausgangsmaterial, der Selektionsprozess und die Verfügbarkeit des Saatguts sollte demokratisch organisiert und in den Händen möglichst vieler Akteur:innen des Netzwerks sein.
Welche Probleme kämen bei einer Deregulierung der Gentechnik auf Sie zu?
Die aktuellen Kämpfe um intellektuelle Rechte auf Saatgut geben einen kleinen Eindruck davon, was bei einer Deregulierung der Gentechnik auf uns zukommt: Konkurrenz statt Kooperation in der Saatgutentwicklung, langwierige Prozesse für die Nachvollziehbarkeit und Kennzeichnung der Gentechnikfreiheit unseres Saatguts. Hinzu kommen erhebliche Unsicherheiten, ob der Umgang mit Agrarbiodiversität und ihr Reichtum an Pflanzen im exklusiv profitorientierten Saatgutmarkt nachhaltig überhaupt noch möglich ist.
Finden Sie Gentechnik unnötig? Weshalb?
Die Entwicklung von Agrarbiodiversität sollte in lokalen Systemen und in Kooperation der verschiedenen Partner:innen erfolgen. Aufgrund der kostenintensiven technischen Infrastruktur und dem exklusiven Zugang zu Informationen über Eigenschaften von Genen und Samenbanken wird die Gentechnik den Bedürfnissen der Landwirtschaft nicht gerecht. Sie entzieht sich zudem demokratischer Kontrolle darüber, wie die Agrarbiodiversität weiterentwickelt werden soll.
Die klassische Züchtung ist etabliert, funktioniert und ist niederschwellig zugänglich. Im Gegensatz zur neuen (oder auch alten) Gentechnik selektieren wir Pflanzen, welche an die lokalen Umweltbedingungen angepasst sind und mit den vielseitigsten Einflüssen gut umgehen können. Oft sind sie nicht 100% resistent gegen negative Einflüsse, aber genügend robust und tolerant, um stabile Erträge zu liefern. Anstelle hauptsächlich auf das bisher nicht bestätigte Potential einer neuen Technologie zu setzen, sollten auch künftig bewiesenermassen vielversprechende Methoden zur Bewältigung aktueller Herausforderungen eingesetzt werden. Zudem sollte Technologie nicht auf die technischen Prozesse reduziert werden, da soziale und ökologische Komponenten untrennbarer Bestandteil einer Technologie sind.
Sind Sie zufrieden mit dem Angebot der Pflanzen/Samen, die heute auf dem Markt angeboten werden? Welche Wünsche haben Sie an Neuzüchtungen im Pflanzenbereich?
Die Diversität der aktuell angebotenen Pflanzen und Samen ist nicht zufriedenstellend. Es stehen nicht genügend angepasste Sorten zur Verfügung, um die nachhaltige Umgestaltung der Landwirtschaft zu ermöglichen. Beispielsweise für Körnerleguminosen ist die Auswahl an Sorten sehr beschränkt, was die Hemmschwelle für Bäuer:innen zum Anbau dieser wichtigen Kulturart zusätzlich zu den Schwierigkeiten in der Vermarktung erhöht.
Welche Eigenschaften sollten bei der Züchtung neuer Pflanzensorten vor allem berücksichtigt werden, damit sie einen Mehrwert für Ihre Produktion darstellen könnten?
Eigenschaften, auf welche die Züchtung Wert legen sollte, sind Ergebnis eines Dialogs zwischen den verschiedenen Partner:innen des Nahrungssystems. Daher ist die Etablierung eines ständigen Austauschs und die Kooperation zwischen der Partner:innen wichtiger, als die Verfolgung starrer Zuchtziele.
Sehen Sie die Agrarökologie als hilfreiches Konzept für Ihre Arbeit?
Ja. Das Konzept der Agrarökologie bezieht soziale und ökologische Elemente als feste Bestandteile der Landwirtschaft mit ein. Damit bietet sie eine nachhaltige Alternative zum rein technisch-industriellen Ansatz der Landwirtschaft, welcher über die letzten Jahrzehnte zur partiellen ökologischen und sozialen Krise des aktuellen Agrarsystems beigetragen hat. Zudem gibt die Agrarökologie Raum dafür, Freude und Schönheit zu berücksichtigen – dies sind wichtige Voraussetzungen für eine nachhaltige Entwicklung der Landwirtschaft.
Gefährdet die mögliche Zulassung genomeditierter Produkte Ihre Arbeit?
Ja, in erheblichem Masse. Transparenz in der Züchtung und der verantwortungsvolle Umgang mit Biodiversität wären kaum noch gewährleistet.